Über das repressive Stadium des Liberalismus

19.08.2023
Von R. Brunath
Essay und Zusammenfassung von Rainer Brunath auf Basis eines Blogs von Gert Ewen Ungar

Die Freiheit hat den Westen längst verlassen. Damit ist der  westliche Liberalismus in seine letzte repressive Phase eingetreten.  Krise ist das Wort der Epoche.

Die Geschichte lehrt, dass Staaten und/oder Gesellschaftssysteme autoritär und repressiv werden, bevor sie untergehen. Solche Vorgänge lassen sich in der westlichen Wirklichkeit momentan beobachten. Der westliche (Neo)Liberalismus, eine Weltordnung mit dem monolithischen Machtzentrum USA und dem "Washington Consensus", ist 30 Jahre nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion massiv unter Druck geraten.                                                                                         

Mit dem wirtschaftlichen Aufstieg Chinas und der Rückkehr Russlands als geopolitische Gestal-tungskraft auf der Weltbühne ist diesem Monolith tödliche Konkurrenz entgegengetreten, eine Konkurrenz, die aufzeigt, dass der  (Neo)Liberalismus eben nicht das Ende der Geschichte und die alternativlos freie Gesellschaftsform ist.  Immer mehr Länder des globalen Südens suchen die Kooperation mit Russland und China und streben nach einer Mitgliedschaft in den BRICS und weiteren Alternativen der transnationalen Zusammenarbeit zu den vom Westen dominierten Institutionen.

Nach dem Ende der 80er-Jahre warf die USA mit dem "Washington Consensus" alle sozialen Rücksichten über Bord und etablierte seine destruktive Kraft der massiven  Umverteilung von unten nach oben weltweit. Es begann mit der Enteignung von öffentlichem Kapital in Form von Privatisierungen. Der Staatsanteil wurde zurückgefahren, damit einhergehend wurden der Sozialstaat und die sozialen Sicherungssysteme rückgebaut.  In Deutschland wurde dies unter anderem durch die Agenda 2010, den Rückbau der Rentensicherung und die Entmachtung der Gewerkschaften umgesetzt.

 

Gleichzeitig wurde uns eingeredet, zentraler und einziger Hort der Freiheit zu sein, denn es gäbe  Meinungsfreiheit, stabile Demokratien, Presse- und Informationsfreiheit. In anderen Regionen der Welt wäre dies alles bestenfalls rudimentär entwickelt und hätte unsere westliche Anleitung nötig. Das war das BILD, was uns im Westen vorgegaukelt wurde. Die Politik gefiel sich in der Haltung der Besserwisser gegenüber dem Rest der Welt: Wir sind der Garten, die übrige Welt ist der Dschungel.

Darüber hinaus wurde das bis dahin Private, Individuelle ins Öffentliche getragen womit es notwendig wurde es vor Diskriminierung zu schützen,"Hassrede" und Herabsetzung an alle möglichen Absonderlichkeiten auszuschließen. Nur die ökonomische Diskriminierung wird weitgehend ausgeklammert. Armut ist im Gegensatz zur sexuellen Orientierung ein Stigma, für das man selbst verantwortlich ist.

Mit dem Aufstieg Chinas und Russlands bekam das Modell des (Neo)Liberalismus Konkurrenz. Der Westen reagierte und reagiert noch auf diese Situation, indem man die Merkmale westlicher Freiheit immer weiter aufgibt und ihre Geltung nur noch behauptet, ohne sie zu leben. Das führt zu  sich ausbreitender Repression. Damit wird die eingeredete Überlegenheit des liberalen Modells konterkariert.

Die EU ist zum servilsten Diener der US-geführten Repressionen geworden. Als transnationale Organisation hat selbst sie schon in ihren Statuten massive Demokratiedefizite, die sie nicht behebt, sondern immer weiter ausweitet. Der Austritt Großbritanniens war mehrheitlich ausgelöst eben durch solche Defizite.

Gelernt hat sie daraus nicht. Länder, die sich ihr heute annähern werden Vorschriften gemacht, die Demokratie sofort auszuhebeln, d.h. sich den Machtansprüchen Brüssels zu unterwerfen. Zuletzt passierte das in Moldawien. Die proeuropäische Präsidentin Maia Sandu steht massiv unter Druck, denn ihr prowestliche Kurs führt in der aktuellen geopolitischen Konstellation zu hoher Inflation, infolgedessen zu immer weiterer Verarmung und damit zu Massenprotesten und Rücktrittsforderungen. Profitiert hat davon die prorussische Partei Șor. Die Reaktion darauf war, Șor zu verbieten. Was anderes fällt solchen Leuten nicht ein.

Und wie steht Deutschland dazu? Man hüllt sich in Schweigen. Deutsche Medien wie die taz begrüßten das Verbot und fordern  Maßnahmen, um den "russischen Einfluss" zurückzudrängen. Die Möglichkeit, dass Menschen den "freien Westen" aus ganz rationalen Gründen für wenig attraktiv halten könnten, wird in den deutschen Redaktionsstuben weiterhin unterdrückt. Schon 2014 verschwieg man völlig, dass in der Ukraine ein relevanter Teil der Bevölkerung mit einer weitergehenden Westintegration nicht einverstanden war, weshalb im Osten des Landes ein Bürgerkrieg ausbrach.

Auch über  das Verbot von Oppositionsparteien in der Ukraine hat man von der EU nichts Kritisches gehört. Die Parteien, die verboten wurden, suchten eher die Annäherung an Russland und lehnten den Kriegskurs des Präsidenten und die wachsende Repression ab. Aber aus Sicht der EU sind Demokratien nur jene, die für die EU sind und ihren Zwecken dienen. Das ist die Sichtweise in Brüssel, ganz egal wie repressiv Kiew gegen die Opposition und die Medien oder Einzelpersonen vorgeht.

Die Diskussion um Parteiverbote und Zensur wiederholt sich gerade in Deutschland, denn in  Punkto Parteiverbot hat ja gerade Deutschland Erfahrung. Schon 1956 kam es – befördert durch die Adenauer-Administration – in der jungen BRD zum KPD-Verbot und damit zum Meinungsverbot. Heute ist es die Forderung nach einem Verbot der AfD, die  zeigt, dass Demokratie als Wert nur so lange Gültigkeit hat, solange sie die bestehenden Verhältnisse stützt. Es spielt für das System überhaupt keine Rolle, ob die AfD, sollte sie einmal gewählt werden, tatsächlich eine fundamentale Wende einleitet. Es geht hier nur um die Frage, ob sie für den Machtanspruch der Herrschenden eine Gefahr darstellt oder nicht. Damit wird klar, Wahlen ändern nichts. Sie sind ein Feigenblatt.

Analog gilt dies auch für die Presse- und Meinungsfreiheit. Deutlich wird das an der Gleichschal-tung deutscher Universitäten, dem universellen Lehrkörper, der bisher für Freiheit und Meinungsvielfalt stand. Einzelne Professoren mussten das erfahren und wurden entlassen. 

Die Kontosperrungen gegenüber Journalisten und Medien, die kritisch über die deutsche Politik berichten, sind ein weitere Beleg für die zunehmende Restriktion durch die Politik. Hinzu kommen die Strafrechts-Verschärfungen, die einen offenen Diskurs über die Ursachen des Ukraine-Konflikts faktisch unterbinden. Deutschland kippt in die Repression und den Autoritarismus.

Begleitet wird all das von einer Kultur der Unterdrückung anderer Meinungen. Ein offener Diskurs, über  andere Meinungen wird "cancelt". Es ist eben längst nicht mehr so, dass in Deutschland jeder seine Meinung öffentlich äußern darf. Die Talk-Shows in den öffenlich-rechlichen Kanälen sind ein lebendiges Beispiel für solche Unterdrückung. Einer gegen vier – geleitet vom Moderator.  Der „demokratische“ Westen ist inzwischen alles, nur nicht mehr liberal und demokratisch. Die „Neunzehnhundert-Dreißiger“ lassen grüßen.

Diese Entwicklungen machen deutlich, dass das Ende des westlich geprägten „Lifestiles“, des (Neo)Liberalismus, eingeläutet ist. Er ist in seine letzte, autoritäre Phase eingetreten.  Freiheit gibt es im Westen für die Menschen immer weniger. Lediglich für einen immer kleineren Kreis, aber nur, weil er im Kern auf Linie ist und sich an an Unterdrückungen beteiligt. Überlebenschancen, das zeigt die Geschichte, hat ein solches auf Repression basierendes System nicht. Es ist das finale Stadium. Was danach kommt?  Daran werden die Völker des kollektiven Westens arbeiten müssen  – ohne Beteiligung ihrer bisherigen sogenannten Eliten.