Nach dem G20-Gipfel in Hamburg

09.07.2017
Was war und was bleibt? Ein Kommentar.
von Thomas Zmrzly
Wer auch nur einige Tage in Hamburg während des G20-Gipfels verbracht hat, der oder die konnte neben einer Schule der Demokratie das eine oder andere Problem oder das Fehlen eines oder mehrerer gemeinsamer Ziele und dessen Auswirkungen zur Kenntnis nehmen.

1. Wie fast nach allen großen Versammlungen der letzten Jahre (G7, G8, EU-Gipfel), bleibt offiziell oder besser in den Mainstreamnachrichten von den Gegenprotesten nur mehr die Gewaltfrage als wesentlicher Baustein mit Nachrichtenwert übrig. Die Auseinandersetzungen im Schanzenviertel Freitag- und Samstagnacht mit ihren Bildern von brennenden Autos und Barrikaden einerseits, und einer martialisch aufgerüsteten Polizei(armee) aus Räumpanzern, Wasserwerfern und Polizeirobocops überstrahlen alles. Tatsächlich aber wurde das ganze Geschehen von Anfang an durch die Staatsmacht und ihre Repressionskräfte in diese Richtung gelenkt. Anfang der Woche waren mehrfach angemeldete Zeltlager widerrechtlich durch die Polizei geräumt worden, obwohl jeweils höhere Instanzen deren Bestand juristisch bestätigt hatten. Aber Donnerstag abend schließlich wurde die „G20 go to hell“ niedergeknüppelt, auch wenn ein kleiner Block ja sicher nicht die Auflagen (Vermummung) der Polizei befolgte. Und hiermit war dann auch der Verlauf der restlichen Tage vorherbestimmt. Gut zusammengefasst hat dass die Gruppe, die am direktesten mit der tatsächlichen Repression konfrontiert war: „Der G20-Ermittlungsausschuss, der in Kontakt mit Demonstranten steht, hat der Polizei die Schuld an den gewalttätigen Auseinandersetzungen zugewiesen. Die angestaute Wut über die «brutalen Gewaltexzesse» der Polizei im Verlauf der G20-Demonstrationen habe sich in vielfältigen militanten Aktionen der Demonstranten und in Auseinandersetzungen mit den Einsatzkräften der Polizei entladen, hieß es in einer Presseerklärung.“

2. Mit mehr als 2000 TeilnehmerInnen war der Gegengipfel gut besucht und auch inhaltlich habe so einige Podien einen guten Einblick in den aktuellen Stand der Linken gegeben. So diskutierten am Donnerstagnachmittag Repräsentanten der internationalen Friedensbewegung über die Frage wie ein neuer „Kalter Krieg“ verhindert werden könne? Neben vielen anderen ragten zum einen Colonel Ann Wright von der US-amerikanischen Friedensbewegung Code Pink heraus, die einen Einblick in ihre aktuellen Aktivitäten gab um u.a. eine weitere Eskalation gegen Nordkorea zu verhindern. Darüber hinaus gab sie einen Einblick über den Zustand der amerikanischen Linken nach der Präsidentschaftswahlen in den USA. Norman Paech referierte über die völkerrechtswidrigen Einsätze der USA und Israels, die er scharf kritisierte. Trotz der durchaus völkerrechtswidrigen Annexion der Krim durch Rußland sieht er aber die Aggression auf Seiten der Nato-Staaten und Rußland hier in der Defensive. Er endete mit Frage, warum auf besagten Podium Vertreter Frankreichs, Großbritanniens, den USA und Deutschlands saßen, nicht aber aus Rußland. Der Kongress endete mit einem Podium auf dem Samir Amin aus Ägypten, Jajati Gosh von der Jawaharlal-Nehru-Universität Indien und Srecko Horvat von Diem25 aus Kroatien miteinander streiten sollten. Samir Amin bestätigte was jeder aufmerksamen BeobachterIn aufgefallen wäre, dass die aktuelle Krise eine doppelte oder gleichzeitige ist, in der sich die systemische Krise des imperialistischen Systems, mit der seiner Gegner zusammenfällt. Das Fehlen einer organisierten politischen Alternative. Dass diese Podien mit den genannten Aussagen stattfinden konnten, mußte eigentlich überraschen, da einige linksliberale NGO's und selbst die grünennahe Böll-Stiftung Mitausrichter waren. Nur die Schwäche und Perspektivenlosigkeit der Linksliberalen kann erklären, warum das möglich war.

3. Mit einer Beteiligung von fast 70000 TeilnehmerInnen an der Abschlußdemonstration am Samstag sind alle realistischen Erwartungen mehr als erfüllt worden. Trotz der medialen Hetze, des Versuchs einiger linksliberaler NGO`s den Protest zu spalten (sie hatten eine Woche vorher in Hamburg demonstriert) und auch der Tatsache, dass gleichzeitig eine eigene bürgerliche Demonstration (Hamburg zeigt Haltung) mit weniger als 20000 Menschen stattfand, ist die Beteiligung doch beeindruckend gewesen. Es zeigt, dass das Bewußtsein vorhanden ist, dass die Krise weitergeht und ungelöst ist. Gleichzeitig bleiben die Antworten darauf aber unzureichend. Die wesentlichen Organisationen sind nicht in der Lage die herrschende Hegemoniekrise für die nächsten konkreten Schritte jenseits von Freihandel und NATO-Expansionismus zu benennen.

4. So endete der G-20 Gipfel wie enden mußte – ohne greifbare Ergebnisse. Im Streit um die Grundlagen des internationalen Handels blieb man, wo man steht. Das bestehende Freihandelsregime wurde formell bestätigt, zeigt aber schon auf die kommenden Auseinandersetzungen zwischen den USA einerseits und der EU und China auf der anderen Seite. Außer den bilateralen Gesprächen zwischen Russen und Amerikanern zu Syrien und der Vereinbarung sich in der kommenden Woche zum Thema Ukraine erneut zu Gesprächen zu treffen, gab es keine formellen Fortschritte. Was bleibt? Ein Gipfel der den meisten Teilnehmenden vermittelt hat, wo heute das leuchtende Vorbild der westlichen Demokratie steht, wenn nötig im Ausnahmezustand und bewacht von 20000 Polizisten auf dem unabänderlichen Weg in die nächsten Katastrophen.