Das Recht auf Völkermord

03.08.2014
Oder: Warum Demokratie und Kolonialismus nicht zusammengehen
Antiimperialistische Koordination (AIK)
Kürzlich erschien in der Times of Israel ein Kommentar mit dem Titel: „Wenn Genozid erlaubt ist.“ Es ist die konzise Quintessenz des Zionismus: Israel beansprucht das Recht, die Palästinenser als Volk auszulöschen. Simple Begründung: Sonst können die Israelis nicht ruhig leben.(1) Die westlichen Medien kultivieren diese selbsternannte Opferrolle, die jedes Verbrechen als Selbstverteidigung legitimiert.(2)

Die Fakten des gegenwärtigen Angriffs auf Gaza sprechen für sich. Israel massakriert innerhalb weniger Wochen tausende Palästinenser, vorwiegend Zivilisten. Währenddessen verliert die israelische Armee einige Dutzend Soldaten. Die Zahl der zivilen israelischen Opfer beläuft sich auf unter zehn. Damit ist alles über die totale Ungleichheit des Krieges gesagt.

Unmittelbarer Hintergrund des Konflikts ist die Blockade gegen knapp zwei Millionen Palästinenser in Gaza, die Israel mit Hunger (und Bomben) in die Unterwerfung zwingen will. Es ist schlimmer als eine mittelalterliche Belagerung, nämlich die völkerrechtswidrige kollektive Bestrafung eines ganzen Volkes. Wie verlogen und lächerlich wirken da die so oft beschworenen „westlichen Werte“ der Demokratie, der Menschenrechte und des Humanitarismus, die man anderswo sich anmaßt auch gegen das Völkerrecht militärisch durchzusetzen.

Die Begründung dafür erfolgt mit den leidlich abgedroschenen Schlagwörtern Terrorismus und Islamismus. Dabei übergeht man geflissentlich, dass die Hamas 2006 demokratische Wahlen – soweit solche unter Besatzung überhaupt möglich ist – zumal in Gaza haushoch gewonnen hat. Doch für den Westen und natürlich Israel sind Wahlen nur gültig, wenn dadurch willfährige Kräfte legitimiert werden.

Der Begriff „Terror“ hat mit dem amerikanischen „Krieg gegen den Terror“ sowieso jede Aussagekraft hinsichtlich Kampfhandlungen gegen Zivilisten – der ursprünglichen Bedeutung – verloren. Terroristen sind all jene, die sich gegen die US-zentrierte kapitalistische Weltordnung stellen. Wer für diese Ordnung foltert, bombt und Zivilisten tötet ist ein Freiheitskämpfer. „Kollateralschäden“ wie in Gaza sind dabei unvermeidlich.

Ist der Politische Islam selbst nicht undemokratisch, mittelalterlich, frauenfeindlich etc.? Dieses Argument der moralischen Minderwertigkeit der Gegner liefert die historische Rechtfertigung des Kolonialismus und all seiner Verbrechen. Die Briten unterwarfen Indien um angeblich die Witwen vor der Verbrennung zu schützen, die Franzosen Afrika um den Kannibalismus zu beenden, die USA entstanden auf der Basis des Völkermordes an den unzivilisierten „Rothäuten“. Am „deutschen Wesen“ sollte die Welt „genesen“, während die Nazis gleich an die Vernichtung der "Untermenschen" schritten. Mit der „zivilisatorischen Mission“ rechtfertigte der Imperialismus Sklaverei und Völkermord im industriellen Maßstab. Wie man sieht bis heute wie beispielsweise mit dem kriegerischen „Export der Demokratie“ in den Irak oder der „Frauenrechte“ nach Afghanistan.

Die Politische Islam und insbesondere die Hamas konnten im Nahen Osten zu einer entscheidenden Kraft aufsteigen, weil die linken Befreiungsbewegungen historische Niederlagen erlitten, scheiterten und vielfach sich in der Folge zu Kollaborateuren des herrschenden Systems wandelten. Bestes Beispiel dafür ist die Palästinensische Nationalbehörde (PNA), die die Rolle des Erfüllungsgehilfen der USA, der EU und letztlich auch Israels spielt. Die Hamas kann sich auch deswegen behaupten, weil sie für die Fortsetzung des Kampfes gegen die israelische Besatzung steht.

Hier kommen wir zum historischen Kern des Konflikts: Israel ist ein koloniales Projekt der USA und Europas besonders perfider Art. Denn mit dem Massenmord an den europäischen Juden, mit dem die Araber nichts zu tun haben, wird die systematische Vertreibung der Palästinenser gerechtfertigt. Wer dieses Recht auf Völkermord in Frage stellt ist – na klar – Antisemit! Umschrieben wird das mit dem Glaubensbekenntnis „Existenzrecht Israels“, der Verteidigung der „einzigen Demokratie im Nahen Osten“ aber eben nur für jüdische Kolonisten. Kein Zufall, dass die Zionisten systematisch die arabischen Diktaturen und insbesondere die ägyptische Junta gegen jegliche demokratische Bestrebungen unterstützen.

Warum dann keine Teilung des Landes, warum keinen Kompromiss? Seit drei Jahrzehnten versucht die PLO das unter Verzicht auf den größten Teil des Landes, des Wassers, der Ressourcen usw. Alles umsonst – Israel will alles. Die Geschichte hat gezeigt, dass die Zwei-Staaten-Lösung mit dem Zionismus unmöglich ist.

Die einzige Lösung: Ein Ende des Kolonialismus, des exklusiven Anspruchs auf Palästina, und Demokratie für alle einschließlich aller Palästinenser (auch der Vertriebenen und ihrer Nachkommen), nicht mehr nur für die Kolonialherren nach dem Modell der südafrikanischen Apartheid.

Für einen gemeinsamen demokratischen Staat in ganz Palästina!

(1) Times of Israel, 1.8.2014, https://i.imgur.com/JLZg30t.png, Der Kommentar von Yochanan Gordon schließ mit der rhetorischen Frage: „Wenn die politische Führung und die Militärexperten meinen, dass der einzige Weg ihr Ziel, nachhaltig Ruhe zu schaffen, über den Völkermord zu erlangen ist, ist es dann erlaubt diese verantwortlichen Ziele zu erreichen?“ Der Artikel wurde wieder entfernt. Zu offen zu sprechen macht keine gute PR. Man mag einräumen, dass es sich um die Meinung einer rechtsradikalen Minderheit handelt und in dieser offenen Form wird das sogar zutreffen. Doch der Autor spricht nur das aus, was der Zionismus immer proklamiert hat. „Wir müssen die Araber vertreiben, und ihre Orte übernehmen.“ Staatsgründer David Ben Gurion 1937

(2) „Die Lüge von der israelischen Selbstverteidigung“, http://www.intifada.at/node/35; geschrieben Januar 2009 während des damaligen Angriffs auf Gaza, einer der meistgelesenen Artikel auf der Seite www.intifada.at