„Kein Widerspruch gegen US-Angriff und Assad-Regime zu sein“

14.09.2013
Bericht von der Wiener Kundgebung „Kein Krieg gegen Syrien“
von Wilhelm Langthaler
Waseem Haddad aus Lattakia spielte die Rolle des Eisbrechers. Als Vertreter der demokratischen Opposition hält der Religionswissenschaftler an der Universität Wien standhaft an der Ablehnung jeglicher internationaler Einmischung fest, sei es die eben erst akute US-Drohung mit Luftangriffen, Waffen und Geld aus den Nachbarstaaten für die Aufständischen oder aber die Militärhilfe des russischen geopolitischen Pols ans Regime.
Waseem Haddad

Eine Militärintervention von außen würde die konfessionellen Konflikte nur verschärfen und die Katastrophe noch weiter verschlimmern. Das Regime müsse weg, aber die Dschihadis lehne er ebenfalls ab. Eine politische Lösung müsse alle Gruppen der Gesellschaft mit einbeziehen und schließlich zu einer demokratischen Transformation führen, meinte Haddad.

Der bricht damit das festgefahrene Schema des Bürgerkrieges auf, das sich auch in unter den Wiener Syrern reproduziert, und hält an den ursprünglichen Zielen der Volksbewegung fest. Auch eine zweite Persönlichkeit der heimischen Syrer, die Frauenrechtlerin Marie-Thérèse Kiriaky, unterzeichnete den Aufruf und schloss sich der Protestaktion an. So nahmen eine ganze Reihe von Syrern und auch Kurden an der Aktion teil, trotz des Drucks der von beiden Seiten auf sie ausgeübt wurde und wird.

Leo Gabriel moderierte und wies auf die internationale Initiative www.peaceinsyria.org hin, die sich für eine politische Lösung einsetzt. Dabei geht es einerseits darum auf die westlichen Regime Druck auszuüben eine solche Lösung nicht weiter zu blockieren, andererseits jene Syrier der verschiedenen Seiten zusammenzubringen, die für Verhandlungen eintreten. Wilhelm Langthaler, ebenfalls Mitinitiator der Initiative, kritisierte die österreichische Regierung, die bisher nichts dazu beitrug in Kreiskyscher Tradition, einen Dialog der verschiedenen Seiten auf österreichischem Boden zu ermöglichen. Muna Duzdar, SP-Abgeordnete zum Wiener Landtag, verglich die US-Drohungen mit jenen gegen den Irak vor zehn Jahren und warnte vor der Wiederholung eines solchen illegalen Angriffes. Alois Reisenbichler, ein profilierter linker Katholik, schloss mit einem allgemeinen pazifistischen Aufruf.

Mit rund 50 Menschen, die den mitunter heftigen herbstlichen Regenschauern trotzten, blieb die Teilnehmerzahl bescheiden. Das spiegelt die allgemeine politische Passivität und auch Perspektivlosigkeit des Konflikts wider – und vielleicht auch die falsche Hoffnung, dass mit der Wiedereröffnung eines diplomatischen Kanals zwischen Washington und Moskau die US-Angriffspläne vom Tisch seien. Die politische Breite der Teilnehmer war trotzdem zufrieden stellend: Von Katholiken, über Kurden, Friedensbewegung, Frauen in Schwarz, pro-arabische Sozialdemokraten bis hin zu Antiimperialisten. Einige KPler hatten zumindest die Plattform unterstützt. Damit besteht ein offenes Personenkomitee, das weitere Initiativen setzen und Protestaktionen organisieren wird.  

Nachstehend der zweite Aufruf zur Kundgebung am 13.9.13, der die Wende bezüglich der Chemiewaffen, kommentiert, einschließlich einer neuen Liste an Unterzeichnern:

Übergangsregierung statt Angriffskrieg: Einer politischen Lösung zum Durchbruch verhelfen

Wir sind erleichtert, dass die unmittelbare Drohung der USA Syrien anzugreifen, zurückgestellt wurde. Die militärische Machtprojektion bleibt indes aufrecht – und damit die Situation explosiv.

Seit Anbeginn des Konflikts lehnen wir jede ausländische Einmischung ab, insbesondere jene des Westens unter dem Deckmantel von humanitärer Hilfe und Demokratieexport. Nicht nur weil wir Neokolonialismus aus Prinzip ablehnen. Sondern auch ganz konkret, weil die Einmischung maßgeblich daran beteiligt war, eine friedliche demokratische Volksbewegung in einen blutigen konfessionellen Bürgerkrieg zu verwandeln. An dessen Ursprung liegt die Weigerung des Assad-Regimes, ernsthafte demokratische und soziale Reformen zuzugestehen. Stattdessen wurde der Volksprotest gewaltsam niedergeschlagen. Bis heute wird mit aller Härte nicht nur gegen die bewaffneten Aufständischen, sondern auch gegen ihre Unterstützerbasis in der Zivilbevölkerung vorgegangen.

Doch die rasch einsetzende ausländische Einmischung vor allem durch die Türkei und die Golfstaaten hat die Spirale der Militarisierung und der Konfessionalisierung massiv angetrieben. Die Dschihadisten und auch andere Islamisten zahlen mit konfessioneller Münze zurück und verbreiten Angst und Schrecken unter den Minderheiten – und nicht nur unter diesen.

Mit einem US-Militärschlag würde das große konfessionelle Schlachten erst richtig beginnen und alles bisher Dagewesene in den Schatten stellen.

Der einzige Weg um aus der Katastrophe herauszukommen und den Bürgerkrieg zu beenden, ist eine politische Lösung auf der Basis einen geopolitischen Kompromisses zwischen den USA und Russland. Doch dieser stellt nur den globalen Rahmen dar. Er ist eine notwendige Bedingung, aber keine ausreichende, denn der innere Konflikt enthält weiterhin ein autochthones Moment.

Daher bedarf es eines baldigen Waffenstillstands. Möglich ist ein solcher aber nur, wenn es in einem wechselseitigen Prozess auch zur Bildung einer Übergangsregierung kommt, die die Situation stabilisieren und einen demokratischen Prozess einleiten könnte. An dessen Ende sollten dann freie Wahlen stehen. Das heißt, dass die herrschende Gruppe ihren alleinigen Anspruch auf die Macht aufgeben muss. Die Opposition muss indes anerkennen, dass das Regime einen Teil der Bevölkerung vertritt (die Allawiten und teilweise die anderen Minderheiten eventuell auch nolens volens).

In diesem politischen Kampf um eine auf einen Kompromiss aufgebaute Übergangsregierung gilt es die demokratischen, sozialen und unabhängigen Kräfte zu unterstützen und damit der weit fortgeschrittenen konfessionellen Spaltung und Aufteilung des Landes entgegenzuwirken.  

Leo Gabriel, Obmann-Stvtr. SÜDWIND und Intern. Rat des Weltsozialforums; Fritz Edlinger, Gesellschaft für Österreichisch-Arabische Beziehungen; Muna Duzdar, Rechtsanwältin und SPÖ-Abgeordnete zum Wiener Landtag; Waseem Haddad, Religionswissenschaftler aus Lattakia, Universität Wien; Wilhelm Langthaler, Antiimperialist; Heinz Hödl, Geschäftsführer der Koordinierungsstelle der österr. Bischofskonferenz für Entwicklung und Mission; Franz Sölkner, ehem. Gemeinderat; Angela Waldegg, Matthias Reichl, Begegnungszentrum für aktive Gewaltlosigkeit; Waltraud Schauer, ehem. Menschliches Schutzschild im Irak; Paula Abrams-Hourani, Frauen in Schwarz; Peter Unterweger, ehem. Sekretariatsmitglied des Int'l Metallgewerkschaftsbundes; Joan Unterweger, Informatikerin; Kurt Kann, Internationales Solidaritätsforum; George Nicola, Palästinensische Gemeinde Österreich

Erster Aufruf zur Protestkundgebung gegen einen US-Angriff auf Syrien inklusive Unterstützer

Bericht auf vienna.at

 

YouTube Video: http://www.youtube.com/watch?v=xcNfzxmknuM