Bedrohliche Verurteilung wegen Terrorunterstützung am 1. Mai:

29.04.2018
Transparent mit Fotos und erhobene Faust ausreichend
von Wilhelm Langthaler
Am 26.4.2018 wurde der erste Angeklagte wegen „Aufforderung und Gutheißung terroristischer Straftaten“ nach §282 StGB zu 3 Monaten bedingter Haft verurteilt - Kommentar

Die Quintessenz der richterlichen Argumentation: „Wenn Sie sich vorstellen, Sie marschieren auf der Ringstraße, und ein Passant sieht das? Fotos von Terroristen, hochgehaltener Faust? Was soll dieser Passant denken?“ (http://www.antiimperialista.org/de/content/des-terrors-schuldig-wegen-bi...)

Das zentrale Argument des Angeklagten, dass zwischen dem in Österreich legalen Verein „Anatolische Föderation“ (AF) und der DHKP-C ein Unterschied zu machen sei, wird von der Richterin nicht beachtet. Dabei ist das tatsächlich grundlegend. Denn der Auftritt der AF am 1. Mai ist ganz offensichtlich eine politische Meinungsäußerung. Und die wird unter Strafe gestellt. Die Justiz und die Terrorgesetzgebung sind also eine akute Bedrohung für das wichtigste politische Recht.

Das Hauptargument der Richterin sind die „Bilder von Terroristen“.

Wir wissen, wie instrumentell der Begriff des Terrors verwendet wird. Wer bei uns als Terrorist gilt, bestimmen weder Gewalt, Gräueltaten noch Ideologie, sondern die jeweiligen westlichen Interessen. So wird oft exzessive Gewalt gegen Zivilisten als Verteidigung gewertet: von Staaten wie Israel, Saudiarabien oder Kolumbien sowieso, aber auch von bewaffneten Bewegungen wie seinerzeit den Mujaheddin in Afghanistan, der UCK im Kosovo oder heute den Nazi-Verbänden in der Ukraine. Bei den Kurden ist es gegenwärtig am extremsten: in der Türkei sind sie Terroristen, in Syrien Freiheitskämpfer – wohlgemerkt die gleiche politische Organisation.

Auch der türkische Kontext spielt im Prozess natürlich keine Rolle: kein Wort vom blutigen Nato-Militärputsch 1980, der der Ausgangspunkt aller Volkserhebungen gegen Ankara ist, der kurdischen sowie auch der türkischen (oft alevitisch geprägt). Das Herausreißen aus dem Zusammenhang ist eine Grundvoraussetzung für solche Verurteilungen.

Ich selbst, der ich einem Vierteljahrhundert in der Solidarität mit der türkischen und kurdischen Opposition engagiert bin (http://www.antiimperialista.org/de/Tuerkei_AIK), halte viele Aktionen der Opposition für politisch nicht sinnvoll. Insbesondere auch deswegen, weil Erdogan im Gegensatz zu den kemalistischen Nato-Militärs, eine sehr feste Massenbasis auch weit unten besitzt. Aber ich kann verstehen, dass man auf strukturelle Unterdrückung und akute politische, polizeiliche und militärische Gewalt nicht nur die andere Backe hinhalten will – und das über Generationen.

Wenn ich das in Österreich mit friedlichen politischen Mitteln zum Ausdruck bringen will, mache ich mich nach dem Richterspruch nicht nur der Gutheißung, sondern auch der Aufforderung zu einer terroristischen Straftat schuldig.
Mit Demokratie hat das nichts mehr zu tun! Das ist Meinungsdiktatur.