PKK-Verbot seit über 20 Jahren

01.12.2014
Erklärung europäischer Juristinnen und Juristen: PKK von der Terrorliste der EU streichen - Betätigungsverbot aufheben – den Friedensprozess stärken - Rechtliche Neubewertung dringend notwendig
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Seit 2002 wird die Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) auf Wunsch der türkischen Regierung in der vom Rat der Europäischen Union regelmäßig aktualisierten Terrorliste geführt. Als wesentliche Begründung wurden Gewalttaten der PKK in der Türkei und im Ausland genannt. Deutschland nimmt innerhalb der EU bei der Kriminalisierung der PKK eine Vorreiterrolle ein. Hier ist der PKK und den ihr nahe stehenden Organisationen seit über 20 Jahren ein Betätigungsverbot auferlegt. Die Führungsebene der PKK in Deutschland wird als terroristische Vereinigung im Ausland (§129b StGB) verfolgt. Jegliche Unterstützung der PKK im weitesten Sinn wird ebenfalls strafrechtlich geahndet.

Im Ergebnis dieser Politik wurden tausende Kurd*innen in der Türkei und in Mitgliedsstaaten der EU strafrechtlich verfolgt, der PKK nahe stehende Organisationen oder Parteien und kurdische Zeitungen verboten sowie Fernsehstationen geschlossen. Das Recht zahlloser Kurd*innen und politischer Unterstützer*innen auf ungehinderte freie Meinungsäußerung, auf Versammlungsfreiheit und Pressefreiheit sind durch diese und andere repressive Maßnahmen verletzt worden. Selbst ausländerrechtliche Sanktionen bis hin zur Ausweisung werden eingesetzt.

Rechtliche Bedenken

Demokratische und progressive Jurist*innen auf der ganzen Welt haben in den letzten Jahren wiederholt gegen die Kriminalisierung zahlloser Kurd*innen protestiert und insbesondere eine Streichung der PKK von der Terrorliste der EU sowie eine Aufhebung des Betätigungsverbots gefordert.

Die PKK selber unternahm in der Vergangenheit zahlreiche – nur zum Teil erfolgreiche – Versuche, um gegen die ihrer Meinung nach ungerechtfertigte Strafverfolgung in Deutschland und im europäischen Ausland juristisch vorzugehen. Aktuell hat am 2. Mai 2014 ein niederländisches Anwält*innenkollektiv im Auftrag des Exekutivkomitees der PKK eine Klage beim Europäischen Gerichtshof in Luxemburg eingereicht. Ziel ist die Streichung der PKK von der EU-Terrorliste.

Darüber hinaus ist die Terrorliste der EU generell auf rechtsstaatliche Bedenken gestoßen, u.a. schon 2008 beim ehemaligen Präsidenten des deutschen Bundesverfassungsgerichts Hans-Jürgen Papier und beim Sonderbeauftragten des Europarats, Dick Marty. Wer auf einer dieser Listen steht, den treffen Reiseverbote und Finanzrestriktionen. Für die betroffene Person hat eine Listung zunächst die Sperrung sämtlicher Konten zur Folge. Zugleich dürfen der gelisteten Person auch keine Gelder und wirtschaftliche Ressourcen zur Verfügung gestellt werden.

Die Listung erfolgt in einem intransparenten Verfahren ohne den in ihren Grundrechten bzw. Menschenrechten dadurch verletzten Personen und Organisationen angemessene Mittel der rechtlichen Verteidigung, insbesondere Akteneinsicht und Anhörung einzuräumen. Sie hat nicht zu einer nennenswerten Einschränkung des Terrorismus geführt und ist daher unverhältnismäßig und ungeeignet.

Die Rechtskraft der über zwanzig Jahre alten Verbotsverfügung auch soweit sie von den Gerichten bestätigt wurde, rechtfertigt keine zeitlich unbegrenzte politische Stigmatisierung einer politischen Organisation. Wenn wesentliche Umstände, welche seinerzeit die Entscheidung getragen haben, heute nicht mehr gegeben sind, muss sie aufgehoben werden. Die mit dem Organisationsverbot einhergehende schwerwiegende Grundrechtseinschränkung muss in regelmäßigen Abständen darauf hin überprüft werden, ob sie sachlich noch gerechtfertigt ist.

Neubewertung aufgrund der aktuellen Situation

Spitzenpolitiker*innen der deutschen Bundesregierung und der Opposition müssen inzwischen anerkennen, dass bisherige Erfolge im Kampf gegen den kaum aufzuhaltenden Terror des sogenannten „Islamischen Staates“ (IS) im Irak und in den selbstverwalteten Gebieten Westkurdistans/Nordsyrien (Rojava), maßgeblich dem beispiellosen und mutigen Kampf der PKK und der mit ihr verbündeten Kampfeinheiten zu verdanken sind. An den bisherigen Klischees bei der Bewertung der PKK scheinen immer weniger Politiker*innen festzuhalten. Aus Beispielen des Überganges vom Bürgerkrieg zum friedlichen Zusammenleben aus anderen Ländern wie Irland oder Südafrika sollte gelernt werden.

Für eine Neubewertung der PKK durch die deutsche Regierung und durch die Europäische Union sprechen im Hinblick auf die PKK insbesondere folgende Umstände:

Das türkische Parlament hat im Juni 2014 offiziell die schon seit zwei Jahren stattfindenden Verhandlungen zwischen der türkischen Regierung und der PKK befürwortet.

Die PKK hat seit Längerem den bewaffneten Kampf für ihre politischen Ziele eingestellt und gegenüber der türkischen Regierung einseitig einen Waffenstillstand erklärt. .

Die PKK fordert nicht mehr die Abtrennung der kurdischen Gebiete von der Türkei, sondern eine regionale demokratische Selbstverwaltung wie sie in Nordsyrien (Rojava) aufgebaut wurde.

Die PKK organisiert gemeinsam mit anderen kurdischen Kampfeinheiten den bewaffneten Widerstand gegen die Terrormilizen des sogenannten „Islamischen Staates“ (IS).

Forderungen an die Regierungen der EU Mitgliedsstaaten

Die Unterstützer*innen dieses Aufrufs fordern von der Bundesregierung und anderen Regierungen der Mitgliedsstaaten der Europäischen Union die aktive Unterstützung eines ernsthaften Friedensprozesses in der Türkei und in diesem Zusammenhang insbesondere:

Den Eintritt in einen Dialog mit der PKK mit dem Ziel der Legalisierung der PKK.

Die Aufhebung des Betätigungsverbots für die PKK und die ihr nahe stehenden Organisationen.

Die Beendigung aller ausländerrechtlichen Sanktionen gegen Mitglieder und Unterstützer*innen der PKK und den ihr nahe stehenden Organisationen.

Die PKK muss die Möglichkeit erhalten, sich ohne Diskriminierung an der politischen Diskussion und Meinungsbildung zu beteiligen.

Der PKK muss die Nutzung und eigene Betreibung von Medien (Zeitungen, Fernsehstationen, etc.) in gleichem Maße offen stehen, wie anderen politischen Organisationen.

Eine Amnestie für alle, die lediglich wegen Mitgliedschaft in der PKK oder der ihr nahe stehenden Organisationen oder für deren Unterstützung verurteilt wurden.

Forderungen an die Europäische Union

Die Unterstützer*innen dieses Aufrufs fordern auch von der Europäischen Union die aktive Unterstützung eines Friedensprozesses in der Türkei und in diesem Zusammenhang insbesondere:

Die allgemeine Abschaffung der Terrorliste der Europäischen Union.

Zumindest aber die Streichung der PKK von der Terrorliste der Europäischen Union.

Forderungen an die türkische Regierung/b>

Die Unterstützer*innen dieses Aufrufs fordern von der türkischen Regierung

Die konstruktive Fortsetzung der Friedensgespräche zwischen der türkischen Regierung und der PKK mit dem Ziel der dauerhaften Friedenssicherung und der Legalisierung der PKK

der Legalisierung der PKK und der ihr nahe stehenden Organisationen

Die Einstellung aller Strafverfahren wegen Mitgliedschaft in der PKK oder einer ihr nahe stehenden Organisation bzw. wegen Unterstützung dieser Organisationen

Die Amnestie aller wegen Mitgliedschaft in der PKK oder einer ihr nahe stehenden Organisation Verurteilten, einschließlich des Vorsitzenden der PKK, Abdullah Öcalan.

Die Einstellung aller anderen vergleichbaren politischen Strafverfahren wegen der Ausübung der Meinungsäußerungsfreiheit, der Pressefreiheit, der Versammlungsfreiheit, der Vereinigungsfreiheit und der Ausübung der Rechte der Strafverteidiger*innen.

http://www.eldh.eu/de/publikationen/publikation/european-lawyers-declare...