Operation Luxor am Scheitern

19.12.2021
Von Willi Langthaler
Die antiislamische Kampagne der Türkisen muss mit dem Fall von Kurz mehrere Gänge zurückschalten
Konsequenz der antiislamischen Regierungskampagne

Als unmittelbare Antwort auf den Anschlag in der Wiener Innenstadt im November 2020 inszenierte der damalige Innenminister Nehammer die Operation Luxor. Hollywood-reif wurden Türen eingeschlagen, Bürger abführt und Kinder eingeschüchtert – dem bevorzugten Feindbild „Politischer Islam“ wurde fest eine drübergezogen. Zusammenhang mit dem Anschlag gab es keinen – außer, dass polizeiliche und geheimdienstliche Ressourcen von der Verhütung solcher Attentate für die politische Kampagnenführung abgezogen worden waren.

Mittlerweile ist mehr als ein Jahr ins Land gezogen. Die Zwischenbilanz der Operation, bei der 30 Wohnungen durchsucht, zahlreiche Liegenhaften beschlagnahmt und 70 bis 100 Menschen als Beschuldigte geführt werden, stellt sich für die Regierung als verheerend heraus – juristisch wie politisch. Schon die Tatsache, dass es bei einem so schwerwiegenden Delikt wie Terrorismus zu keiner einzigen Verhaftung gekommen war, deutete auf eine dünne Suppe hin.

Ziel der Attacke waren überwiegend anerkannte und etablierte Persönlichkeiten aus dem palästinensischen und ägyptischen Milieu. Viele von ihnen betätigten sich auf völlig legale Weise karitativ. Im verdeckten Kern geht es um das Recht des palästinensischen Volkes auf Widerstand gegen die israelische Besatzung. Dieses wird pauschal als terroristisch und antisemitisch bezeichnet.

Bisher gibt es keine einzige Anklage, obwohl die Ermittlungen schon Jahre andauern und mit riesigem Aufwand durchgeführt wurden. Diese werden noch Monate oder Jahre auf sich warten lassen – wenn es überhaupt jemals dazu kommen sollte. Eines der Verfahren wurde bereits eingestellt.

In der Justiz ist der Gegenwind enorm. Das Oberlandesgericht Graz erklärte die gesamte Operation Luxor für rechtswidrig und hob auch die Beschlagnahmungen auf. Einerseits wurde die politische Argumentation der Staatsanwaltschaft ins Herz getroffen, die die Muslimbruderschaft als ganze und weltweit zu einer terroristischen Organisation machen wollte. Es handle sich um eine aus Millionen bestehende Massenbewegung und der Rückschluss, dass jeder Einzelne, der dieser zuzurechnen sei, damit auch ein Terrorist wäre, sei unzulässig. Andererseits gäbe es keinerlei konkrete Hinweise auf Terrorfinanzierung. Der Autor dieser Zeilen, der es sich angetan hat die „Anordnung der Sicherstellung“ zu lesen, fügt hinzu: Der notorische Staatsanwalt Winklhofer versucht das gar nicht. Das Einzige, was er aufbieten kann, sind Transaktionen quatarischer Hilfsorganisationen, die das OLG nicht als terrorverdächtig einstuft.

Auch die Überwachung und Observation der Verdächtigen wurde als illegal erkannt. Das gesammelte Material muss nun vernichtet werden.

Jeder einzelnen Beschwerde, die verfahrenstechnisch in die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts Graz fällt, wurde bisher stattgegeben. Bei den Beschwerden, die das untergeordnete Landesgericht abzuwickeln hat, ist das nicht so eindeutig, aber auch hier gab es Niederlagen für die Kurz-Gruppe. Beispielsweise wurden den Beschuldigten viel zu lange die Akteneinsicht verwehrt. Besonderes Augenmerk muss der Causa der Gutachter Heinisch und Scholl geschenkt werden, von denen Winklhofer sehr weitgehend die rein ideologische Argumentation abgeschrieben hat, nach der von den Muslimbrüdern eine akute Bedrohung durch eine weltweite faschistisch-antisemitische Diktatur ausgehen würde. Gegen Heinisch und Scholl hatten einige Beschuldigte Beschwerde wegen Inkompetenz erhoben, der stattgegeben wurde. Doch statt als Gutachter der Staatsanwaltschaft wurden sie nun als Sachverständige des Gerichts bestellt – eine neuerliche Beschwerde ist schon anhängig.

Heinisch und Scholl verfügen über keinerlei akademische Reputation, aber sie sind wichtige Stützen der „Dokumentationsstelle Politischer Islam“, des propagandistischen Standbeins der antiislamischen Regierungskampagne. Sie kooperieren dabei auf das Engste mit Lorenzo Vidino, einem US-italienischen Publizisten. Als Zentralfigur der Dokustelle verfügt er nicht nur über beste Kontakte zu den US-Sicherheitsapparaten, sondern streift auch immer wieder bei der radikalen Rechten an. Entsprechend ist das ministerielle Institut über plumpe Hetze nie hinausgekommen. Einerseits misslang es, auch nur einen einzigen im islamischen Mainstream anerkannten Religionsgelehrten dazu zu bewegen, dem Unternehmen seinen Segen zu erteilen. Andererseits wollte sich auch kein einziger gewichtiger Akademiker für dieses schmutzige Geschäft hergeben. Die verhetzende „Islamlandkarte“, die anfangs sogar mit dem Logo der Uni Wien erschient, musste kleinlaut zurückgezogen werden, nachdem sich auch die Uni davon distanziert hatte. Die Lautstärke der Kampagne hat sich also deutlich verringert.

Die Medienblase Kurz war sehr stark mit der Kultivierung der von der FPÖ übernommenen antiislamischen Identität verbunden, jedoch ausgeweitet auf den Mainstream und selbst in Teile der Linken hinein. Extremster Ausdruck war das Hissen der israelischen Fahne auf dem Bundeskanzleramt in Unterstützung der völker- und menschenrechtswidrigen Bombardements gegen Gaza – in offensichtlicher Verletzung der österreichischen Neutralität, die im Verfassungsrang steht. Aber auch die ostentative Unterstützung für die blutige Sisi-Diktatur in Ägypten, die durch einen Putsch gegen die gewählte Regierung der Muslimbrüder an die Macht kam, gehörte zum Programm, das gleichzeitig immer wieder von Menschenrechten etc. schwadroniert. Doch mit dem Platzen der Kurz-Blase lässt sich diese extremistische Linie nicht weiter fortsetzen.

Nicht nur die entscheidende Kontrolle über die Medien und die Justiz ist verloren gegangen, im Allgemeinen wie auch speziell im Fall der Operation Luxor. Auch ganz im Kern der Macht, im Sicherheitsapparat, zeigten sich Risse. Im Frühjahr berichtete „Die Presse“ über eine Anzeige von Verfassungsschutz-Beamten gegen ihre Vorgesetzten, nachdem die Ermittlungen gegen die Muslimbrüder politisch missbraucht worden wären und das Bundesamt für Korruptionsbekämpfung eingeschaltet worden sei. In der Folge konnte wohl das Leck geschlossen werden, doch die Türkisen hatten ihre Macht eindeutig überdehnt.

Die Moral von der Geschichte: Die antiislamische Kampagne wird wohl ein Moment der Elitenherrschaft bleiben, doch sie müssen sie redimensionieren, denn es gibt Widerstand auf den verschiedensten Ebenen.

Verweise